Sinnvolle Einsatzmöglichkeiten des Kreativen Schreibens 
im Literaturunterricht der siebten Klasse 
zur Unterrichtsreihe „Eine Ganzschrift lesen“

Kurzbeschreibung:

Es ist ein weitverbreitetes Vorurteil, dass Schüler:innen heutzutage nicht mehr richtig schreiben können. Gerade durch die Corona-Pandemie, den Unterrichtsausfall und die Verlagerung des Unterrichts vom Präsenz- in Distanzunterricht, konnten viele Inhalte nicht oder nur  unzureichend behandelt werden. Darunter hat auch das Schreiben und daraus resultierend die Schreibkompetenz der Schüler:innen gelitten.

Zudem ist das schulische Schreiben meist auf Reproduktion von Inhalten ausgerichtet beziehungsweise auf die Produktion einer bestimmten Textsorte. Kreatives Schreiben kommt, obwohl es viele Möglichkeiten bietet und großes Potential birgt, so gut wie nie zum Einsatz.

Aus diesem Grund soll es in meinem Studienprojekt darum gehen, im Deutschunterricht sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für das Kreative Schreiben zu finden, um den Schüler:innen einen neuen, anderen Zugang sowie Freude am Schreiben zu ermöglichen.

Für die Kurzfassung scrollt gerne zu meinem Video runter!

Das gesellschaftliche Leben ist durch schriftsprachliche Anforderungen geprägt. Dies ist während der Corona-Pandemie besonders deutlich geworden. Immer mehr Menschen haben jedoch Schwierigkeiten, den schriftsprachlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Die Schule ist der Ort, an dem Kinder lernen zu schreiben. Die Methoden des Kreativen Schreibens stellen eine Möglichkeit dar, Schüler:innen beim Schrift-spracherwerb zu unterstützen und ihnen außerdem Freude am Schreiben zu ermöglichen, was sich positiv auf den kompetenten Umgang mit Sprache und Schrift auswirken kann.

Das Kreative Schreiben vermag ein neues Verständnis vom Schreiben zu generieren, welches über bloße Funktionalität hinausreicht. Es kommt jedoch bislang eher selten im schulischen Kontext zum Einsatz.

Ziel des Forschungsprojektes ist es, Möglichkeiten zu finden, um das Kreative Schreiben sinnvoll in eine Unterrichtsreihe der siebten Klasse zu Krabat zu integrieren und Schüler:innen dadurch ein vertieftes Verständnis des literarischen Werkes zu ermöglichen. Dadurch sollen die Potentiale des Kreativen Schreibens als methodische Alternative für den Deutschunterricht, die in der Auseinandersetzung mit literarischen Texten Anwendung finden kann, verdeutlicht werden.

Für das Kreative Schreiben existiert im deutschsprachigen Raum keine einheitliche Definition. Der Begriff „Kreatives Schreiben“ ist ein unscharfer und komplexer Sammelbegriff unter den eine Vielzahl von Methoden, Verfahren sowie Zielen fallen. Der Begriff wird oftmals zusammen mit dem Freien oder auch Automatischen Schreiben verwendet. Dabei kann das Kreative Schreiben als eine Weiterentwicklung des ersten und das Automatische Schreiben als eine Methode des Kreativen Schreibens angesehen werden.

Kaspar H. Spinner zufolge lässt sich das Kreative Schreiben durch drei Prinzipien charakterisieren: Irritation, Expression und Imagination. Zentral ist, dass Normen aufgebrochen werden, der Selbstausdruck gefördert und die eigene Vorstellungskraft angeregt wird.

Formen des Kreativen Schreibens lassen sich zeitlich von den Sprachspielen der Antike über das Mittelalter und die Schreibtradition der Lateinschulen über die Epoche des Sturm und Drang unter dem Stichwort freier Aufsatz bis heute zurückverfolgen. Das von Zeit und Ort losgelöste Kreative Schreiben steht vor allem in einem engen Bezug zu den reformpädagogischen Überlegungen John Deweys. Dabei liefert Deweys Pädagogik nicht nur den Ansatz für die Entwicklung des Kreativen Schreibens. Die Organisation des instrumentalisierten Kreativen Schreibens in den USA erfolgt noch immer in permanenter Auseinandersetzung mit Deweys Konzepten.

Während in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts eher das zwecksprachliche Schreiben im Vordergrund steht, erfolgt in den 50er Jahren eine Rückbesinnung auf die Tradition des literarischen Schreibens. Die Kreativitätsforschung und das Creative Writing-Konzept werden aus den USA in die deutsche Literaturdidaktik der 60er und 70er Jahre übernommen, in der auch der produktions-orientierte Ansatz eine wichtigere Rolle einnimmt. Angeregt wird das Kreative Schreiben im Deutschunterricht aber gerade auch durch außerschulische Schreibbewegungen.

Die elf Aspekte literarischen Lernens sind: Beim Lesen und Hören Vorstellungen entwickeln (1), Subjektive Involviertheit und genaue Wahrnehmung miteinander ins Spiel bringen (2), Sprachliche Gestaltung aufmerk-sam untersuchen (3), Perspektiven literarischer Figuren nachvollziehen (4), Narrative und dramaturgische Handlungslogik verstehen (5), Mit Fiktionalität bewusst umgehen (6), Metaphorische und symbolische Ausdrucksweise verstehen (7), Sich auf die Unabschließbarkeit des Sinnbildungsprozesses einlassen (8), Mit dem literarischen Gespräch vertraut werden (9), Prototypische Vorstellungen von Gattungen/Genres gewinnen (10) und Literaturhistorisches Bewusstsein entwickeln (11).

Der Leitgedanke von (1) ist, dass Lesen und Hören es ermöglichen, sich über das eigene Vorstellungsvermögen, Zugänge zu literarischen Texten zu verschaffen. (4) beinhaltet, dass literarische Texte bei den Lesenden Empathie auslösen können, indem diese die Figuren verstehen oder sich mit ihnen identifizieren. Darüber hinaus können durch die Figuren in literarischen Texte aber auch andere, über die eigenen Erfahrungen hinausreichende Emotionen nachvollzogen werden. Bei (6) steht im Vordergrund, dass die Schüler:innen erkennen, dass es Unterschiede zwischen fiktionalen Texten und der Wirklichkeit gibt und dass sie sich in dem Spannungsfeld zurechtfinden lernen. Im Aspekt (7) steckt, dass Schüler:innen in der Auseinandersetzung mit Literatur lernen (sollen), die literarischen Texte weniger wörtlich zu nehmen, sondern diese nach Sinnzusammenhängen zu hinterfragen und zu interpretieren.

Die Aspekte hängen eng zusammen und gehen fließend ineinander über. So ist beispielsweise der Umstand, dass sich Metaphorik und Symbolik oft nicht unzweifelhaft deuten lassen (7) auch dafür zentral, sich auf die Unabschließbarkeit des Sinnbildungsprozesses einzulassen (8). Da konkretere Ausführungen zu allen Aspekten zu platzintensiv wären, wird an dieser Stelle auf den Artikel in Praxis Deutsch verwiesen.

Um das Kreative Schreiben und die Möglichkeiten dessen Einsatzes im Literaturunterricht untersuchen zu können, wird in Kooperation mit der Lehrperson die Unterrichtsreihe „Eine Ganzschrift lesen“ geplant.

Für die Reihe wurde überlegt, welche Methoden aus dem Bereich des Kreativen Schreibens sich sinnvoll eingebauen lassen. Mithilfe von tabellarischen Stundenprotokollen wurde vorab überprüft ob bereits Kreatives Schreiben im Unterricht stattfindet. Da dies nicht der Fall war, wurden mögliche Arbeitsaufträge konzipiert, die den Schüler:innen Gelegenheiten zum Kreativen Schreiben eröffnen sollten. Am Beispiel von zwei Aufgabenstellungen (kreative Wegbeschreibung & kreative Charakterisierung) sollte durch eine qualitative Inhaltsanalyse mithilfe von a priori festgelegten Kategorien veranschaulicht und begründet werden, wie und warum die Methoden sich einerseits sinnvoll in den Literaturunterricht integrieren lassen und andererseits zum literarischen Lernen geeignet sind. Dazu wurden die formulierten Aufgabenstellungen als Analyseeinheiten vollständig sowie in Auswertungseinheiten dem Kategoriensystem gegenübergestellt und untersucht.

Durch die Methoden des Kreativen Schreibens soll Abwechslung in den Unterricht kommen und den Schüler:innen Freude an der Auseinandersetzung mit Literatur ermöglicht werden. Für das Vorhaben ergab sich zu Beginn außerdem die Fragestellung, wie die Schüler:innen mit dem Kreativen Schreiben vertraut gemacht werden können.

Dazu wurde die Methode des Automatischen Schreibens ausgewählt. In der Unterrichtsreihe schreiben die Schüler:innen weiterhin zu Stimuli, zu und nach literarischen Texten und es kommen assoziative Verfahren zum Einsatz. Die konzipierten Aufgabenstellungen, befinden sich auf den folgenden vier Folien.

Aufgabenstellungen:

Aufgaben zum Einstieg ins Kreative Schreiben:

Momentan sind verrückte Zeiten. Du warst jetzt lange nicht in der Schule und der Unterricht hat auf Distanz online stattgefunden.

-Wie hast du die letzten Wochen erlebt?

-Was hat Corona alles verändert?

Schreibimpuls: In den nächsten fünf Minuten kannst du alles aufschreiben, was dir einfällt. Schreibe deine Gedanken und Gefühle auf, ohne viel dabei nachzudenken. Setze den Stift nicht ab.

Wenn dir nichts mehr einfällt, kannst du zum Beispiel schreiben:

Ich weiß gerade nicht, was ich sonst noch schreiben soll. | Mir fällt nichts ein. | Ich habe gerade Deutschunterricht.

Aufgabe zur Mühle im Koselbruch:

S. 14 Z. 11 „Krabat tappte ein Stück durch den Wald…“

Übernimm die Rolle des Autors und erzähle, wie Krabat durch den Wald zur Mühle geht und was er dabei empfindet. Achte dabei auf die Waldgeräusche, die du über die Lautsprecher hörst, vielleicht erleichtern diese dir die Vorstellung.

Du kannst dich an den Aspekten, die an der Tafel gesammelt wurden, orientieren. Verwende sprachliche Bilder, um diesen Weg spannend und anschaulich zu gestalten.

Aufgabe zur Figur Krabat:

Schreibe eine Charakterisierung von Krabat in einer beliebigen Textsorte,  z.B.

– in Form eines Gedichts (z.B. Haiku, Elfchen, freie Form)

– in Form eines Briefs (sich vorstellen)

– in Form eines Tagebucheintrags

– in Form eines Aufsatzes

– oder eines beliebigen Formates

Du kannst dabei zum Beispiel berücksichtigen, wie sich die Arbeit und das Leben auf der Mühle auf Krabat auswirken.

Auswertung:

Mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse werden die Aufgabenstellungen auf Basis der drei Prinzipien sowie der elf von Spinner formulierten Aspekte literarischen Lernens analysiert und dahingehend ausgewertet, ob und inwiefern sie sich für das literarische Lernen eignen.

In den Aufgabenstellungen lassen sich mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse die drei Prinzipien Irritation, Expression und Imagination nach Spinner finden. Die Aufgaben können – als für das Kreative Schreiben geeignet – charakterisiert werden.

Des Weiteren ermöglicht der Einsatz der Aufgaben es, Textzusammenhänge herzustellen und zu verstehen, sich mit dem Denken und Handeln der Figuren auseinanderzusetzen und darüber ein tieferes Verständnis des gesamten Geschehens zu generieren. Aus diesem Aspekt lässt sich die Annahme ableiten, dass kreative Schreibaufgaben, in denen die selbstständige Auseinandersetzung und Vertiefung der Textrezeption durch die eigene Produktion zentral sind, generell das Potential besitzen, einen Beitrag zur literarischen Bildung der Schüler:innen zu leisten.

Beim Abgleichen der Aufgabenstellung mit den Aspekten nach Spinner wird deutlich, dass sich gleich mehrere Aspekte zuordnen lassen, worin sich zeigt, dass die Aspekte eng miteinander verbunden und die Übergänge fließend sind. Da sich mehrere Aspekte literarischen Lernens zuordnen lassen, sind die Bedingungen, um die Aufgaben als zum literarischen Lernen geeignet charakterisieren zu können, erfüllt. In Rückbezug auf die Fragestellung kann gesagt werden, dass sich in den exemplarischen Aufgaben sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für das Kreative Schreiben im Literaturunterricht ausmachen lassen.

Fazit:

Es hat sich gezeigt, dass der Deutschunterricht gerade während der Corona-Pandemie monoton abläuft. Die Potentiale des Deutschunterrichts, vielfältige Verfahren anzuwenden und miteinander zu kombinieren, werden nicht ausgeschöpft, was sich zum Teil auf den wochenlangen Unterrichtsentfall und die Lehrplanvorgaben zurückführen lässt. Dass die Schüler:innen jedoch kaum zur vertieften oder gar kritischen Auseinandersetzung mit literarischen Texten, zu dem Transfer oder dem eigenen Gestalten angeregt werden, ist mit Blick auf die Bildungsstandards nicht akzeptabel.

Das Kreative Schreiben in den Unterricht zu integrieren stellt eine Herausforderung dar, da das schulische Schreiben von Bewertung und Beurteilung geprägt ist, was die Kreativität maßgeblich reduzieren kann. Die Schüler:innen legen nicht von einem auf den anderen Tag das Gedankengut ab, dass das schulische Schreiben allein dem Zweck, die Aufgaben zu bearbeiten dient. Dementsprechend ist es wichtig, die Schüler:innen wiederholt darauf hinzuweisen, dass das Kreative Schreiben die eigenen Erfahrungen erweitern und es ermöglichen soll, sich selbst und die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten zu erproben.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Integration von Aufgaben des Kreativen Schreibens in den schulischen Literaturunterricht unkompliziert möglich ist, sofern die Lehrperson sowie die Klasse bereit sind, sich auf etwas Neues einzulassen und die Kerngedanken des Kreativen Schreibens zu verinnerlichen. Die größte Schwierigkeit besteht darin, durch das Kreative Schreiben – in Abgrenzung zu den traditionellen Methoden des Unterrichts – einen Raum zu schaffen, der frei von Bewertungen ist, in dem Individualität und Kreativität spielerisch kennengelernt und ausgebaut werden können, obwohl die Regeln der Orthographie gelten.

Gelingt die Integration, kann das regelmäßige Kreative Schreiben auf vielfältige Weise eingesetzt werden und den Schriftspracherwerb unterstützen sowie eine Hilfe beim Verfassen inhaltlich verständlicher Texte sein. Über das selbstständige, kreative Scheiben von Texten kann den Schüler:innen ein Verständnis dafür vermittelt werden, was einen Text literarisch gut macht.

eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Punkten. Schaut mal rein!

Profil:

Mein Name ist Alexandra Warda. Ich studiere im Master of Education an der Ruhr-Universität Bochum die Fächer Deutsch und Pädagogik (Gym/Ge). In diesem Jahr (2022) werde ich mein Studium beenden und ins Referendariat gehen.

Ich möchte Lehrerin werden, weil es mir Freude bereitet, mit Menschen und insbesondere Kindern zu arbeiten und ihnen etwas beizubringen. Ich möchte Schüler:innen auf ihrem Weg begleiten und sie dabei unterstützen, selbstbewusste Persönlichkeiten zu werden.

Ich freue mich auf die Herausforderungen und darauf, an den Erfahrungen zu wachsen.

Abraham, Ulf: Was tun mit Steinen? Gibt es eigentlich ein „Kreatives Schreiben“ im Deutschunterricht? In: ide. Zeitschrift für den Deutschunterricht in Wissenschaft und Schule, Jg. 22 (1998), H. 4, S. 19–36. Online verfügbar unter: https://ide.aau.at/wp-content/uploads/2019/01/1998-4.pdf [abgerufen am 22.07.2021].

Böttcher, Ingrid (Hg.): Kreatives Schreiben. Grundlagen und Methoden. Beispiele für Fächer und Projekte. Schreibecke und Dokumentation. 5. Aufl., Berlin 2008.

Glindemann, Barbara: Creative Writing  – zu den kulturellen Hintergründen und zum literaturwissenschaftlichen und institutionellen Kontext im Vergleich zwischen England, USA und Deutschland. Dissertation, Univ. Hamburg 2000.

Ruf, Oliver: Kreatives Schreiben. Eine Einführung, Tübingen 2016.

Spinner, Kaspar H.: Kreatives Schreiben. In: Praxis Deutsch, Jg. 20 (1993), H. 11, S. 17-23.

Spinner, Kaspar H.: Kreatives Schreiben zu literarischen Texten. In: Schreibförderung und Schreiberziehung. Eine Einführung für Schule und Hochschule. Hg. von Ulf Abraham/Claudia Kupfer-Schreiner/Klaus Maiwald, Donauwörth 2005, S. 109-119.

Spinner, Kaspar Η.: Kreatives Schreiben und literaturwissenschaftliche Erkenntnis. In: Kreatives Schreiben an Hochschulen. Berichte, Funktionen, Perspektiven. Hg. von Hans Arnold Rau, Berlin 2016, S. 79-87. 

Ich habe mein Praxissemester im Sommersemester 2021 an einem Herner Gymnasium absolviert. Ich würde das Praxissemester als die beste Erfahrung des gesamten Studiums bezeichnen, da ich viele neue Erfahrungen sammeln und viel über mich selbst lernen konnte. Das Praxissemester hat mich in meinem Berufswunsch und der Studienwahl bestärkt und ich habe (trotz Corona) viele Personen kennenlernen dürfen, wofür ich sehr dankbar bin.